Hochsensible Menschen haben eine einzigartige Wahrnehmung und Empfindsamkeit. Diese besondere Sensibilität kann dazu führen, dass sie auf emotionale Verletzungen anders reagieren als die Mehrheit.
Gerade bei hochsensiblen Kindern kann man dieses besondere Verhalten sehr gut beobachten. Viele Eltern haben mir schon berichtet, dass ihre hochsensiblen Kinder stark verletzt sind, wenn sie streng angeredet werden. Vor allem, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Oder auch, dass die Kinder zu Hause verstummten, nachdem es in der Kita einen Konflikt mit den Erzieher*innen gab.
Bei hochsensiblen Erwachsenen ist es eigentlich ganz ähnlich. Nur dass die meisten Erwachsenen gelernt haben, ihre Verletzung besser zu verbergen.
Um das Thema “wenn Hochsensible verletzt sind” besser zu verstehen, gehe ich in diesem Artikel darauf ein, welchen Herausforderungen hochsensible Menschen gegenüberstehen. Zudem erkläre ich, warum die Verletzungen so tief gehen und wie Hochsensible damit umgehen können.
Was ist der Grund für die hohe Verletzbarkeit hochsensibler Menschen? Warum geht die Verletzung so tief und hält so lange an?
“Sensitive Menschen haben ein zentrales Nervensystem, welches Erfahrungen rascher und tiefer registriert.“ (Aron, Belsky, Belsky & Pluess)
Wenn ein Nervensystem besonders empfindlich ist, führt dies zu einer Reihe von physiologischen und psychologischen Merkmalen.
Merkmale hochsensibler Menschen sind
- eine erhöhte Wahrnehmung der Umwelt
- eine erhöhte Wahrnehmung von Reizen (sensorische Sensibilität)
- eine höhere emotionale Ansprechbarkeit
- eine tiefere und komplexere Verarbeitung von Eindrücken
- eine höhere Stressempfindlichkeit
- die Tendenz, sich in stark stimulierenden Situationen überfordert zu fühlen.
Die besondere Verletzbarkeit basiert also auf der intensiveren Wahrnehmung und der hohen Sensibilität für emotionale und sensorische Reize. Hochsensible Menschen sind zudem oft anfälliger für Stress und reagieren tiefergehend auf kritische und negative Situationen. Denn sie haben ein feineres Gespür für Ungerechtigkeit und Missstimmungen in ihrer Umgebung. Dies führt letztendlich dazu, dass sie die Verletzungen intensiver empfinden. Und auch stärker und langanhaltender reagieren als weniger sensible Menschen.
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Zwischen Verletzlichkeit und Einfühlungsvermögen: Hochsensibilität und die unvergesslichen Bilder im Kopf
Diese hohe Verletzlichkeit wird oft als Schwäche wahrgenommen. Von der Umwelt, aber auch von den Hochsensiblen selbst. So kann es zum Beispiel sein, dass eine gewalttätige Nachricht, ein grausamer Film oder eine Szene aus einem Roman die Person über Jahre hinweg verfolgt.
Denn mit der hohen Sensibilität geht auch ein sehr hohes Einfühlungsvermögen einher. Und diese ermöglicht es hochsensiblen Menschen, sich auf eine sehr intensive Art und Weise in andere Menschen oder Situationen hineinzuversetzen.
Kreative, hochsensible Menschen sind oft mit einer sehr bildhaften Sprache und Vorstellungskraft ausgestattet. Beim Erzählen, Lesen oder Hören einer Geschichte läuft dann automatisch ein innerer Film ab. Und dieser Film brennt sich im Gehirn ein und begleitet die hochsensible Person über Jahre.
Negativität vermeiden: Warum hochsensible Seelen auf positive Einflüsse angewiesen sind
Deshalb ist es sehr ratsam, vor allem für empfindliche Seelen wie hochsensible Kinder und Erwachsene, bei der Auswahl ihres Medienkonsums besonders vorsichtig zu sein. Es ist auch ratsam, sich von Menschen fernzuhalten, die sehr negativ sind oder ständig schlechte Geschichten erzählen.
Oft sind hochsensible Menschen auch mit einem inneren Konflikt konfrontiert, weil sie sich zum Beispiel für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Umweltschutz einsetzen wollen. Sie wollen etwas in der Welt verändern und beschäftigen sich deshalb mit schwierigen oder gewalttätigen Themen.
Für hochsensible Menschen kann diese Auseinandersetzung jedoch schwerwiegende psychische Folgen haben. Sie können Depressionen, Ohnmachtsgefühle, seelische und körperliche Schmerzen erleben. Es ist ratsam, hier in erster Linie auf sich selbst zu achten.
Hintergrundwissen: Die offene Schleife des limbischen Systems
Wir Menschen sind über unser limbisches System emotional miteinander verbunden. Und das limbische System ist ein sogenanntes offenes System. Das bedeutet, dass die Regulierung eines offenen Systems weitgehend von externen Faktoren abhängig ist.
Im Gegensatz dazu ist zum Beispiel unser Blutkreislauf ein geschlossenes System. Es ist selbstregulierend und unser Blutkreislauf wird nicht vom Blutkreislauf eines anderen Menschen beeinflusst. Somit stellt dieser eine geschlossene Schleife dar.
„Wissenschaftler beschreiben die offene Schleife als „interpersonale limbische Regulation“, bei der eine Person Signale überträgt, die die Hormonproduktion, die Herz-Kreislauf-Funktion, die Schlafrhythmen und sogar das Immunsystem einer anderen Person verändern können.“ […] „Wenn zum Beispiel drei Fremde einander ein oder zwei Minuten gegenübersitzen, überträgt derjenige, der emotional am expressivsten ist, seine Stimmung auf die beiden anderen – ohne ein einziges Wort zu sagen.“ Quelle: Boyatzis, Richard; Goleman, Daniel; McKee Annie: Emotionale Führung, 8. Auflage, Berlin 2018
Je sensibler, d.h. je offener wir für Reize sind, desto mehr können wir von anderen mitfühlen. Die Fähigkeit dazu ist eine natürliche Anpassungsleistung, um sich als soziales Wesen in einer Gruppe zurechtzufinden.
Die Bedeutung der Spiegelneurone: Wir sind in der Lage, die Gefühle der anderen zu fühlen.
Kennst du das? Jemand im Bus lacht herzlich und sofort zaubert dir das ein Lächeln ins Gesicht? Dafür sind die Spiegelneuronen in unserem Gehirn verantwortlich. Zahlreiche Studien belegen: Es gibt Nervenzellen im menschlichen Gehirn, die sowohl beim Beobachten als auch beim Erleben des gleichen Gefühls aktiv sind.
Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass Spiegelneuronen es uns ermöglichen, Handlungen zu erkennen und nachzuahmen. Der wirklich große und interessante Schritt war die Entdeckung, dass der Spiegelmechanismus nicht nur bei Handlungen, sondern auch bei Emotionen funktioniert.
Quelle: Aus Spektrum der Wissenschaft: Bernt, Anton: Hirnforschung: Mythos Spiegelneurone v, vom 4.3.2022
Mit Hilfe von Spiegelneuronen können wir die Gefühle anderer nachempfinden. Je sensibler, d.h. je offener wir für Reize sind, desto mehr können wir mit anderen mitfühlen. Das kann dazu führen, dass wir mitleiden, weil unser Gehirn den Schmerz anderer so verarbeitet, als wäre es unser eigener. Andere zu bemitleiden hilft jedoch weder ihnen noch uns selbst.
Verletzlichkeit ist ein Zeichen starker Verbundenheit
Hochsensible Menschen denken oft: Wenn ich nur weniger sensibel wäre, dann wäre mein Leben einfacher. Dann könnte ich so viel mehr erreichen!
Ich persönlich habe das auch schon sehr oft gedacht, vor allem, als ich noch jünger war.
Inzwischen glaube ich, dass die hohe Reizoffenheit hochsensibler Menschen, die mit dieser hohen Verletzlichkeit einhergeht, eine besondere Chance für unsere Gesellschaft ist. Denn sie zeigt, wie sehr wir mit anderen Menschen, Situationen oder der Natur verbunden sind. Und Verbundenheit ist ein wichtiger Schlüssel zu einem neuen Wir, zu einem gesamtgesellschaftlichen Wandel.
Es ist keine Schwäche zu leiden, wenn wir sehen oder hören, wie jemand leidet oder ungerecht behandelt wird. Es ist ein Zeichen von Güte und Loyalität, wenn wir uns auf Augenhöhe mit anderen sehen.
Es ist ein Zeichen, mit sich selbst, mit den eigenen Gefühlen tief verbunden zu sein. Und nur dann sind wir in der Lage, uns auch mit anderen verbunden zu fühlen. Die Trennung vom Mitgefühl führt zur Trennung von der eigenen Verletzlichkeit.
Je tiefer wir uns mit anderen verbinden, je tiefer wir uns mit den Ressourcen der Erde, den Elementen und unserem Körper verbinden, desto mehr Gefühle, Stimmungen und Schwankungen nehmen wir wahr.
Auf diese Weise werden wir uns der kleinsten Veränderungen bewusst. Natürlich können wir in diesem Zustand auch tiefer verletzt werden, ob es nun uns selbst oder andere betrifft.
Wie können wir uns aus dieser Verletzlichkeit befreien?
An erster Stelle steht die Selbstfürsorge. Ich rate jeder hochsensiblen Person die hohe Verletzlichkeit als eine natürliche Ressource (Spiegelneurone / limbisches System) anzuerkennen. Jedoch hat die Forschung auch gezeigt, dass hochsensible Menschen im Allgemeinen ebenso stärker und nachhaltiger von positiven Ereignissen und positiver Unterstützung profitieren.
Eine positive Kultur im Sprechen und Denken manifestieren
Positive Gedanken können einen direkten Einfluss auf unser Stressniveau und damit auf unsere Hormone und unser Immunsystem haben. Indem wir uns im Alltag auf das Positive konzentrieren, stärken wir uns selbst. Es ist wichtig, sich nicht länger mit negativen Nachrichten, gewalttätigen Bildern, Büchern oder Filmen zu belasten. Stattdessen können wir Dankbarkeit und Wertschätzung uns selbst und anderen gegenüber in unseren Alltag integrieren. Indem wir Mitgefühl üben, können wir uns selbst und anderen gegenüber freundlich und verzeihend sein.
Es ist wichtig, unsere eigenen Grenzen zu erkennen und zu setzen. Wir sollten uns aus negativen Umfeldern zurückziehen und negativen Äußerungen und Handlungen entgegenwirken. Es ist auch wichtig, Gewalt anzusprechen, die sich oft in Negativität manifestiert.
Hilfreich ist, ein Umfeld zu suchen und Räume zu schaffen, die wohlwollend und liebevoll sind. Durch Meditation und Achtsamkeit können wir uns selbst helfen, inneren Frieden zu finden und gestärkt durch den Alltag zu gehen.
Mein Fazit: Verletzlichkeit und Hochsensibilität anerkennen
Wenn Hochsensible verletzt sind, bricht für sie oft erst einmal die Welt zusammen. Sie nehmen ihre Umwelt intensiver wahr und reagieren stärker auf emotionale und sensorische Reize als andere. Dafür ist das zentrale Nervensystem verantwortlich.
Für hochsensible Personen ist es äußerst wichtig, dass sie ihre damit verbundene hohe Verletzlichkeit anerkennen. Und dass sie lernen, wie sie beispielsweise durch Achtsamkeit und Meditation gut für sich selbst sorgen. Denn nur so finden sie ihr persönliches Gleichgewicht und nutzen die besondere Gabe ihrer Hochsensibilität.
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Wenn wir mit unserem Herzen in Kontakt sind und unsere Ressourcen spüren, können wir kreativ und entspannt den Herausforderungen des Lebens begegnen.